Arbeitslager Sandbostel

Neulich war ich auf dem Weg, um einen meiner Brüder zu besuchen, ihm habe ihm sehr viel zu verdanken. Er hatte mir geraten, mich mit meinem Vater auszusprechen, welcher im Jahr 2018 verstorben war. Als Seelsorger weiß mein Bruder, was mit Menschen passieren kann, die sich von Verstorbenen nicht verabschieden konnten, aus welchem Grunde auch immer. Dieses hätte mir auch passieren können, wenn mein Vater sich die Freiheit genommen hätte, im Frühjahr 2020 sterben zu wollen, ich hätte mich nicht verabschieden dürfen.

Mein Vater war bis 1948 in russischer Kriegsgefangenschaft, er hat nie viel davon erzählt. Er kam, nachdem er von mir allein nicht mehr gepflegt werden konnte, in ein gutes Pflegeheim, eine „Senioren-Residenz“, so nennt es der private Betreiber. Er war dort sehr gut versorgt, blühte wieder auf. Ich war bei seinem „Einstellungsgespräch“ dabei, ein Ergotherapeut stellte Fragen an ihn wegen seiner Biografie. Mir fließen gerade die Tränen, wenn ich an dieses Gespräch denke…

…er erzählte aus der Kriegsgefangenschaft. Einer Gefangenschaft, aus der er bis zu seinem Tode mit 94 Jahren nie entkommen war.
Auch die russischen Wächter der Lager wurden von Stalin wie der letzte Dreck behandelt, bekamen selbst wenig zu essen. So wurde mein Vater von einem Russen gezwungen, sein letztes Stück Brot zu abzugeben.
Er hätte meinem Vater sonst den Gewehrkolben ins Gesicht gerammt.

Wir, in unserer selbstgefälligen dekadenten Art der jetzigen Zeit, wo jeder seinem Mitmenschen nur Neid entgegenbringt, für Dinge, die kein Mensch zum Überleben benötigt, wissen nicht mehr, was Freiheit bedeutet. Keiner weiß es mehr.

Mein Vater fühlte sich in der Gefangenschaft frei, als man ihm das letzte, was er besaß, genommen hatte, ein Stück trockenes Brot.

Wer muss Dir das letzte Stück Brot wegnehmen, damit Du wieder frei bist?

Die folgenden Bilder habe ich in der Gedenkstätte Lager Sandbostel nahe Bremervörde aufgenommen. Dieses Lager wurde von Hitler im August 1939 noch vor Beginn des 2. Weltkrieges gebaut.

Es trug den Namen Stalag XB.

Alle Freiheitsliebenden brauchen dort nicht hinfahren, sie sind sich bewusst, was Unfreiheit bedeutet. Allen anderen empfehle ich, Fahrt hin und seht selbst durch die Gitter nach China.

Könnt ihr euch vorstellen, was in unseren Lagern bis Mai 1945 passiert ist, wie wir mit anderen Menschen umgegangen sind und diese über uns denken?

Die Spirale der Gewalt muss aufhören, es wird Zeit.

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