Fortsetzung von „Fliehkraft“:
…es mich aus der Bahn wirft. Ich kam wieder hinter einer dreiteiligen Leitplanke zur Besinnung, mein Motorrad hatte sich am Tank um einen Stützfeiler der langgezogenen verzinkten und in der Sonne glänzenden Leitplanke gewickelt. Hartwig hatte, mit dem Fotoapparat in der Hand, alles mit angesehen. Die hohe Leitplanke steht dort nicht ohne Grund, denn nach einem ca. 3 Meter breitem Streifen dahinter geht es tief hinab in das Okertal. Ich wurde ins Krankenhaus nach Goslar gebracht, kam auf ein Dreibettzimmer. Die beiden anderen Betten waren auch belegt mit verunfallten Motorradfahrern, in Goslar hat man in dem Krankenhaus viel Erfahrung mit Motoradfahrern, die noch zu wenig Erfahrung haben im Umgang mit Gefahren. Ich hatte jedenfalls vom Motorradfahren die Schnauze gestrichen voll, wollte nie wieder ein Motorrad anfassen. Ach ja, ich hatte mir ein Schulterblatt angebrochen und ein paar Schürfwunden zugezogen, das war alles…
…ich erinnere mich, dass es zu der Zeit in meinem Umfeld auch immer mal wieder Tote bei Motorradunfällen gab, einige es nicht überlebt haben. Auch Hartwig hatte mehrere Unfälle, bei denen er zum Glück nie schwerer verletzt wurde. Mein damaliges Motorrad hatte ich mir kurz vor dem Unfall schön zurecht gemacht, neu lackiert, und es hatte nach einem Kolbenfresser neue Kolben und Zylinder bekommen…nun gut, der Motor war das einzige was nach dem Unfall noch funktionierte und da Kolben und Zylinder quasi neuwertig waren, konnte ich diesen noch gut verkaufen.
Das war mit Mitte 20 schon eine merkwürdige Zeit für mich, so lag ich doch, wie schon gesagt, mehrfach im Krankenhaus wegen verschiedener Geschehnisse. Das eine war dieser Unfall, ein anderes Ereignis war die Tatsache, dass sich mein Blinddarm, genauer, der Wurmfortsatz, entzündet hatte. Ich war bei meinem Hausarzt, aber er sah es wohl als nicht so Problematisch an, nachdem ich mich in seine Sprechstunde begeben hatte. So glaubte ich ihm…nachmittags nahm mich Hartwig mit auf seiner 400’er Four, wir fuhren auch durch Flettmar, ein Nachbarort, schon im Kreis Gifhorn gelegen. Die Straße war nicht gut, jedes Mal wenn ein Schlagloch kam, merkte ich sehr genau wo es weh tat, aber mein Hausarzt hatte es ja für nicht so schlimm befunden.
Abends, so gegen 22:00 Uhr, kam es dann zum Showdown, ein Schmerz, wie ich ihn bis dahin nicht kannte, schoss mir durch den ganzen Körper. Stehen war nicht mehr möglich, ich konnte mich noch mühsam kriechend zu meiner Zimmertür bewegen, den Arm nach oben gestreckt gerade so an die Türklinke kommend und die Tür öffnend, dann um Hilfe rufend. Meine Eltern waren wohl erst zu Bett gegangen und noch wach, durch den offenen Flur hörten sie meine leisen Hilferufe, tief Luft holen funktionierte nicht mehr. Sie brachten mich umgehend zum 25 Kilometer entfernten Krankenhaus, in dem ich nur kurze Zeit später schon auf dem OP-Tisch lag…wie es in meinem Unterlaib nach dem Platzen eines entzündeten Darmteiles ausgesehen hat möchte ich nicht wissen, aber es war aufgrund der folgenden Tage nach der Notoperation wohl nicht so schön. Denn eigentlich geht es einem nach einer „normalen“ Blinddarmoperation schnell wieder besser, aber mein Zustand verschlechterte sich zusehends. Irgendwo in meinem Unterlaib war wohl etwas zurückgeblieben was dort nicht hingehört, dann fing die Körperpolizei mit der Arbeit an, versuchte den ordentlichen Zustand wiederherzustellen, vergeblich.
Die folgenden Tage erinnerte mich an Ferkel, meine Eltern betrieben zu der Zeit noch im landwirtschaftlichen Nebenerwerb eine Ferkelzucht, welche mal eine Entzündung, z.B. am Bein, hatten. Mein Vater schnitt diese Stellen dann einfach auf, drückte den Eiter heraus, sprühte eine Desinfektionslösung auf die offene Wunde, und siehe da, die Ferkel wurden wieder gesund, meistens jedenfalls. Daran dachte ich und daran, was wohl mit mir und meiner Entzündung im Unterlaib geschehen wird, denn der “Druck” war nicht mehr auszuhalten…
Fortsetzung folgt
Bis demnächst, Euer h.Art.mut
(Ich habe nach einem passenden Bild für diesen Artikel gesucht und war gerade auf Fototour wegen des blühenden Raps und die gelb-grünliche Farbe passt irgendwie…)