Wer kennt Lösungen zu Befriedung?
Wenn am Ende eines Weges noch nicht alles gut ist, welche Möglichkeiten hat man noch, es doch noch gut werden zu lassen? Mein Vater ist im Alter von 94 Jahren im Jahr 2018 friedlich eingeschlafen. Das Verhältnis zwischen ihm und mir wurde in einem großen Maße von Unausgesprochenem begleitet. Aus heutiger Sicht darf ich froh sein, dass er 2018 gegangen ist. Denn nur einen Wimpernschlag später hätten wir beide, mein Vater und ich, keine Möglichkeit mehr gehabt, uns auszusprechen oder zuzuhören.
Ich hatte für meine Eltern im Jahr 1989 die Verantwortung bis zu ihrem Tode übernommen. Meine Mutter verstarb schon 1997, zu Beginn ihrer Rente. Über mein Verhältnis zu ihr werde ich schreiben, wenn die Zeit gekommen ist. Wir lebten zusammen, seit meiner Geburt am 22. Februar 1962, ab 1976 in dem von meinen Eltern neu gebauten Haus.
Jetzt wieder zu meinem Vater, für den ich allein nicht mehr die Verantwortung tragen konnte, 2016 in der Seniorenresidenz Beinsen in Wienhausen einen guten Ort für seine letzten Monate bekommen hatte. Seine Rente reichte dafür im Zusammenhang mit der Pflegeversicherung aus. Als er nicht mehr fähig war, selbstständig zu essen, auf künstliche Ernährung angewiesen war, beschlossen wir, meine zwei Brüder und ich, es so kommen zu lassen, wie er selbst vorher verfügt hatte, auf diese künstliche Ernährung zu verzichten. Diese wurde ihm von seiner Ärztin aus Bröckel per Rezept verordnet. Ich besuchte diese Ärztin und teilte ihr mit, dass mein Vater beschlossen hatte, seinen letzten Weg zu gehen und die künstliche Ernährung einzustellen ist. Zwei Tage später bekam ich einen Anruf aus dem Heim, dass diese Ärztin meinem Vater schon wieder ein Rezept ausgestellt hatte, wieder Plastikbeutel mit künstlicher Ernährung.
Weshalb lassen Ärzte Menschen in einem Alter von 94 Jahren nicht sterben? War es ein Versehen dieser Ärztin oder ist es ein Geschäft mit dem Leid von Menschen? Missachtet dieses kranke System den Menschen an sich? Aber dies nur am Rande, es geht hier um den Abschied, um die letzte Trennung, von der es kein Zurück gibt. Zeitlebens hatte ich Angst vor der Kälte meines Vaters, der durch sein Leben so geworden war. Durch Krieg und Verlust eines Sohnes. Er ließ seine Gewalt aus diesem aufgestauten Hass an seinen 4 Söhnen aus. Mitgefühl war nicht zu erwarten. Ein Krieg hat ihm seine Jugend genommen, die Gefangenschaft seine Seele zerstört und der Verlust eines Kindes im Jahr 1960 im Alter von 4 Jahren, welches auch mit Prügel bis dahin erzogen wurde, hat ihm seine letzte menschliche Wärme entzogen. Auch mir hat er meine Seele aus dem Leib geprügelt, mein Inneres totgeschlagen.
Die letzten zwei Wochen seines Lebens besuchte ich ihn jeden Tag, ich saß dort und wir schwiegen uns an. Jeden Tag besuchte ich ihn, wartend, nur auf ein kleines Wort der Dankbarkeit oder Lob für das, was ich aus dem von ihm geerbten Hof gemacht hatte. Auf etwas im Leben zu warten, lohnt sich nicht, es lohnt sich in jedem Fall der Blick nach vorn. Am vorletzten Tag seines Todes fragte er mich: „Hät wi üsch noch ijendwat tau seggen?“. ich sagte ihm, es sei alles Gut. Am nächsten Tag atmete nur noch sehr schwach und stoßweise. Seinen letzten Atemzug, sein Versuch im letzten Moment seine Augen selbst zu schließen, was ihm aber nicht gelang, nahm ich in aller Stille als letzte Handlung von ihm mit. eine Stunde saß ich dort, sah seine halb geöffneten Augen. Ich weiß, dass das Gehör als letztes seinen Dienst einstellt. so schwieg ich ihn noch eine Stunde lang an.
Ich habe die Verantwortung übernommen, das Grab meiner Eltern zu pflegen. Diese Pflicht muss ich noch bis zum Jahr 2033 leisten, spätestens dann bin ich meinen Eltern nichts mehr schuldig. Ich habe ihnen viel zu verdanken, auch meinen Namen Hartmut, sowie den zweiten Namen Jürgen, den Namen meines Bruders, den ich niemals kennenlernen durfte und dessen Ersatz ich niemals sein konnte. Den Verlust, den Eltern erleiden, wenn sie ein Kind verlieren, insbesondere wenn sie selbst falsch oder fahrlässig gehandelt haben, kann ihnen niemand abnehmen.
Was ich für Euch, meine Eltern, postum machen darf, ist, all meine Energie der Befriedung unsere Welt zu widmen. Ihr und das Leben habt mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin und geleistet habe.
In der Zeit ab März 2020 hätte mir dieses System diesen Abschied nicht ermöglicht. Meinem Vater ist das jetzt egal, mir nicht. Ich brauchte diesen Abschied. Selbst zu sehen, dass er mir nichts mehr antun kann. Dass, was dieses System Menschen antut, weil Angst und Spaltung bedient werden, das, was wieder und wieder zu Krieg führt, zu neuem Hass, darf ein Ende haben, denn dann ist alles gut.
Herzlichst
Euer h.Art.mut
PS:
Gestern habe ich mein drittes Buch, „Unschlagbarer Weg der Erleichterung“ auf den Weg zum Probedruck gebracht. Das zweite, „Vom A zum O“, mein erstes autobiografisches Werk, bekomme ich diese Woche zur Druckfreigabe vorgelegt.
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